Dieses Präventionsprogramm zeigte ich einer Patientin auf ihren Wunsch. Sie wollte wissen, was sie selbst zu Hause für ein Training machen könne, um sich langfristig gesund zu halten. Sozusagen ein zusammenfassendes Hegen und Pflegen für die Zukunft. Das möchte ich Ihnen nicht vorenthalten.
Inhaltsverzeichnis
Stabilität und Mobilität kombinieren
Die Grundidee hinter dem Präventionsprogramm ist es, Kernzonen und die wichtigsten Gelenke im Körper beweglich (mobil) und gleichzeitig stabil zu halten. Stabilität und Mobilität sind wie ein Geschwisterpaar und sind gleichermassen wichtig. Damit das Gelenk gut bewegen kann, soll es gleichzeitig eine hohes Bewegungsausmass (range of motion, ROM) haben und dieses auch kontrollieren können. Beides zusammen führt zu Schmerzfreiheit.
Einige Beispiele, in denen dies nicht möglich ist:
- der unbewegliche Sportler:
Häufig sind Männer betroffen, welche viel Training mit schweren Gewichten machen. Die Belastung führt zu stärkerer Spannung, was ohne Gegeneinwirkung die Mobilität mit der Zeit verkleinert. So kann man immer weniger weit bewegen, was die Qualität der Bewegung stark einschränkt. Mit der Zeit sieht man es den Personen auch an (können vor Kraft kaum mehr gehen). Mit der hohen faszialen Spannung halten sie sich im Gewebe auch immer nahe an der Schmerzgrenze auf und sind somit anfällig für Verletzungen. - Die Hyperbewegliche:
Stereotypisch sind vom Hormonhaushalt her meistens Frauen betroffen. Dies ist das Gegenteil des Sportlers. Die Gelenke sind enorm beweglich, das ROM ist phantastisch. Durch das Wenig an Kontrolle kommt es jedoch häufig auch in Alltagsbewegungen zu unkontrollierten Abschnitten in der Bewegung. Das Gelenk wird quasi durch die Einwirkung der Schwerkraft bewegt, was zum abfedern einen starken Zug auf die haltende Muskulatur und ungeschützten Bänder gibt. Auf Belastung durchbewegt werden ist für das Gewebe eine starke Belastung, weshalb auch ein zu viel an Mobilität nahe an die Schmerzgrenze führen kann. - Am Abend beginnen die Schmerzen:
Dies ist eine Mischform, in der Mobilität und Stabilität meist schon beinahe ausgeglichen vorhanden sind. Die Schmerzen treten immer gegen Abend auf. Dies ist ein Zeichen für muskuläre Übermüdung. Oder eben anders betrachtet zu wenig Stabilität. In einem Fall wie diesem lohnt es sich genau hinzuschauen, was an Stabilität, was an vielleicht noch fehlender Mobilität für mehr Ergonomie in den täglichen Bewegungen nötig ist. Dafür empfiehlt sich eine Physiotherapieeinheit.
Das Präventionsprogramm setzt an beiden Punkten an und möchte beide entwickeln. Der Schwerpunkt liegt auf den Schultern, den Hüften und dem Rücken.
Tonisch-phasische Muskulatur
Auf anatomischer Ebene möchte man durch die Mobilitätsübungen tonische Muskeln dehnen und phasische Muskeln kräftigen. Tonische Muskeln sind solche, welche aufgrund ihrem Aufbau zu mehr Spannung neigen. Phasische Muskeln neigen zu weniger Spannung und Muskelabbau. Es sollte also ein Ausgleich im Körper stattfinden, dass alle Muskeln ungefähr gleichviel Spannung und Länge besitzen.
Der Grund im Unterschied liegt in der Anzahl der sogenannten Myofibroblasten. Dies sind Zellen im Fasziengewebe, die wie eine Rolle im Zaun (die Dinger, die man im Draht anbringt, um den Draht fest anzuziehen) die Faszienfasern auf Zug bringen können. Tonische Muskeln haben mehr davon.
Präventionsprogramm durchführen
Das Präventionsprogramm ist für die Durchführung zu Hause konzipiert und man benötigt nur wenig Material. Lediglich ein Stab und ein Theraband sind vonnöten, sowie 20min Zeit pro Tag.
Generell ist wichtig, dass Sie niemals in den Schmerz hineintrainieren. Es darf ein Zuggefühl entstehen, aber niemals etwas stechendes, unangenehmes.
Die Dehnübungen/Mobilität empfehle ich 1-2min am Stück zu halten. der Einfachheit halber werden die Dehnungen statisch gehalten – also in die Position hinein und über die komplette Zeit das Dehngefühl ohne Bewegung beibehalten.
In den Stabilitätsübungen kann man auch entweder für 1-2min Wiederholung für Wiederholung aneinanderreihen. Ich persönlich bevorzuge es zu zählen. Für dieses Programm empfehle ich für die Armübung 10 Wiederholungen, für die Bein- und Rumpfübung je 30 Wiederholungen.
Bitte einseitige Übungen jeweils auf beiden Seiten durchführen.
Mobilität
Squat warm up
Kommen Sie aus dem Stand in eine grosse Schrittposition. Bringen Sie das hintere Knie auf den Boden. Eventuell auf einer weichen Unterlage durchführen. Danach bitte das aufgestellte Knie um 90° nach aussen drehen, sodass der Fuss nach hinten zeigt. Spannen Sie das Gesäss an, beugen Sie das vordere Knie und schieben Sie das Becken in Richtung des vorderen Beines. Persönlich halte ich zur Verstärkung des Dehngefühls häufig das vordere Bein auf der Innenseite am Schienbein und drücke es etwas nach aussen.
Der Frosch
Vom Knien ausgehend bringen Sie die Knie auseinander und die Hände vornedran auf den Boden. Die Füsse sollte gerade nach hinten schauen und in den Knien sollte etwa ein 90°-Winkel entstehen. Drücken sie sich in der Position mit den Armen nach hinten, sodass ein Zug an beiden Beinen in den Adduktoren oder der Hüfte entsteht.
Janushirshasana
Aus dem Sitzen bringen Sie bitte beide Beine nach vorne und strecken sie. Ein Bein wird herangezogen, der Fuss in die Region des Knies gebracht und das Knie nach aussen gekippt. Anschliessend beugen Sie sich über das gestreckte Bein und halten sie die Position. Es kann ein Zuggefühl am Bein oder im Rücken entstehen. Ich persönlich mag diese Übung sehr für die Dehnung die im Bereich des ISG und unteren Rückens entstehen kann.
Ausgedreht auf dem Rücken
Ausgehend von der Rückenlage ziehen Sie bitte ein Bein heran, strecken die Arme auf Schulterhöhe zur Seite und drehen das herangezogene Bein über das Gestreckte. Es ergibt sich ein Zuggefühl im Rücken und der Flanke.
Schulterbeweglichkeit und Dehnung der Brustmuskulatur
Eine sehr klassische Übung, die in gefühlt jeder Schule und jedem Sportverein durchgeführt wird. Trotzdem ist sie sehr effektiv. Halten Sie den Türrahmen oder legen Sie die Hand an die Wand. Etwa auf Schulterhöhe ist in den meisten Fällen eine gute Wahl. Halten Sie den Arm gestreckt und drehen Sie den Oberkörper weg von der Wand. Bringen Sie die Füsse in eine Schrittposition, in der der Körper ohne Kraftaufwand in der Position verbleiben kann. Es sollte Ein Zug an der vorderen Schulter, der Brustregion oder dem Biceps entstehen.
Aussenrotation der Schultern
Suchen Sie sich eine Ablage, die ungefähr Tischhöhe hat. Nehmen Sie nun den bereitgelegten Stab und halten ihn mit beiden Handflächen nach oben. Stützen Sie sich nun mit beiden Ellenbogen auf der Unterlage ab und lehnen mit dem Oberkörper zwischen den Armen hindurch. Die Tendenz sollte sein, dass die Hände möglichst weit aussen und die Ellenbogen möglichst weit innen sein sollten. So entsteht in der Schulterregion ein starker Zug.
Stabilität
Forcierte Aussenrotation der Schultern
Nehmen Sie das bereitgelegte Theraband und machen sie mit einem Knopf eine Schlaufe von ca. 25cm Durchmesser. Bringen Sie die Hände in die Schlaufe und drücken mit den Handrücken nach aussen, sodass das Band auf Zug bleibt. Wie in der vorangehenden Übung sollen die Hände möglichst weit aussen und die Ellenbogen möglichst weit nach innen gedrückt werden. In diesem wechselseitigen Druck, führen sie ein Hochheben der Arme aus. Ich empfehle meist, den Ellenbogen bis auf Schulterhöhe in einem 90°-Winkel zu halten, die Position für 1-3s zu halten und die Arme danach wieder zu senken. Das ist eine Wiederholung.
Das Ziel ist die gegenläufige Bewegungen der Arme und Ellenbogen zu halten. Es sollte sich in den Schultern hinten oder den Oberarmen aussen anstrengend anfühlen.
Banded Squats
Die zuvor geformte Schlaufe wird wieder benötigt. Nun befestigen Sie unter den Knien und drücken die Knie nach aussen, bis das Band auf Zug ist. Der Abstand zwischen den Füssen ist nicht wichtig. Der Zug auf dem Band muss jedoch immer aufrecht gehalten werden können. Führen Sie mit diesem Zug Kniebeugen aus. Wenn möglich gehen sie mit Fersenkontakt auf dem Boden und Knien über den Fussgelenken bis ganz nach unten. Das ist eine Wiederholung.
Transversusspannung
Stellen sie in Rückenlage die Beine auf. Legen Sie ihre Hände auf den Bauch und drücken sie mit einer Anspannung der Bauchmuskeln nach aussen. Das Ziel ist die Anspannung der Bauchmuskulatur, welche von einem nach untendrücken der Wirbelsäule in den Boden begleitet werden soll. Das Becken darf ebenfalls nach hinten drehen. Dies würde man daran erkennen, dass der hintere Beckenbereich nach unten rutscht. Der Vordere (wo der Hosenknopf ist) würde in Richtung des Kopfes rutschen.
Wichtig ist, dass die Anspannung des Bauches gut gefühlt werden kann. Es soll keine Anspannung des Six-Packs sein, sondern den Bauch auch auf der Seite vergrössern. Bitt fühlen Sie mit den Händen ob dies der Fall ist. Zur Kontrolle können sie auch eine Hand zwischen den Rücken und den Boden legen um zu spüren, ob sich der Rücken absenkt. Eine Anspannung ist eine Wiederholung. Ich empfehle die Anspannung für 5s zu halten und anschliessend wieder zu entspannen.
Führen Sie das Präventionsprogramm regelmässig aus – das macht den grossen Fortschritt. Ich bin noch immer erstaunt darüber, wie gut sich der Körper auf regelmässige, leichte Trainings anpasst.